Gedanken zum Dartausflug nach Brixen im September 2022
Von Sinz Gerhard

 
   Ein Freund hat mir kürzlich einen Sinnspruch zugesendet, der da lautet: „es ist leichter, das letzte Wort zu haben, als den ersten Schritt zu tun“.
 
   Angeregt durch diese Weisheit, habe ich den ersten Schritt gemacht und einige Gedanken zu unserem Dartausflug zu Papier gebracht. Das letzte Wort dazu und sämtliche erforderlichen Ergänzungen seien im Anschluss gerne dem hoch geschätzten Plenum überantwortet.
 
Einleitung
 
   Nach der unvorhergesehenen, ungewollten, unsäglich, ungeliebten, unangenehmen, unmöglichen und doch scheinbar unumgänglichen Coronapause ist es nun wieder einmal soweit. Die Dartrunde „Sonne Rankweil“ macht einen Ausflug.
 
   Unter viel Verzicht und Entbehrungen haben wir ein kleines Ausflugsbudget zusammengetragen, so dass uns die Frauen zu diesem Ausflug begleiten können. Gott sein Dank, denn wir Männer hatten ja vier Jahre Zeit, uns vor, während und nach den jeweiligen Spielen, alles zu sagen was es zu sagen gab.
 
   Aber, man mag es glauben oder nicht, wir haben nie über euch Frauen gesprochen. Deshalb war und ist es soooooo wünschenswert, mit euch Frauen gemeinsam diese kleine Reise machen zu dürfen, um für eine kurze Weile ausbrechen zu können, aus unserem engstirnigen, einseitigen und reduzierten Gedankenduktus.
 
   Ich selber habe ja sonst im Alltag nicht mehr viel zu sagen. Daraus ist wie schon erwähnt, die Idee entsanden, einige Gedankensplitter niederzuschreiben um sie dann bei Gelegenheit unter die Leute zu bringen. So habe ich dieses kleine Essay verfasst.
 
   Nun - was ist ein Essay? Auch wenn ich weiß, dass alle wissen was ein Essay ist, wollte ich an dieser Stelle die Definition laut Wikipedia zitieren, weil sie so schön passen ist zu meinem Vorhaben.
 
   Das Essay ist eine geistreiche Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle oder gesellschaftliche Phänomene betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht oft die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit einem Thema. Die Kriterien wissenschaftlicher Methodik können dabei vernachlässigt werden; der Autor hat also relativ große Freiheiten.
 
Zwischen- oder Randbemerkung:
 
   Ein klein wenig musste ich doch darauf achten, meinem Ruf als vorlauter, besserwisserischer und präpotenter Angeber gerecht zu werden.
 
 
Hauptstück: Ein halbes Leben
 
   Das halbe Leben lang spiele ich schon Dart. Zumindest mein halbes Leben lang.
 
   Den Gegnern, die sonst, also wenn es nicht ums Dartspiel geht, längst schon Freunde geworden sind, ergeht es ja nicht wirklich anders. Natürlich war und ist da zumindest in geringem Ausmaß auch noch etwas anderes zu tun in diesem halben Leben. Von Zeit zu Zeit wenigstens.
 
   Wenn man jedoch im Hinterzimmer der Sonne in Rankweil an jener Begrenzungslinie steht die den genau erforderlichen Abstand zwischen Spieler und Dartscheibe kennzeichnet, sich auf die blauen und die roten Felder am Dartbrett konzentriert, dann wird alles andere nebensächlich.     In dieser Phase der inneren Hinwendung zu dieser blinkenden Plastikscheibe werden die Sorgen und Themen des Alltags ganz klein.
 
   Diese ominöse Begrenzungslinie befindet sich allerdings in etwa in der Raummitte dieses Hinterzimmers. Leider. Denn an dieser Begrenzungslinie müssen sich anderweitige Gasthausbesucher entscheiden, ob sie tatsächlich Besucher oder eben Besucherinnen sind, denn an dieser Linie fällt auch die Wahl der WC-Türe, die angesteuert werden muss. Auch wenn es sich bei den Gästen der Sonne überwiegend um Stammgäste handelt, ist je nach Tiefe der Glasbeschau nicht gewährleistet, dass sie die ihnen zugedachte WC-Türe auch auf Anhieb finden.
 
   Wie auch immer, ob weiblich oder männlich, diese Menschen und Menschinnen stören die Konzentration auf das Wesentliche. Viel zu selten verirrt sich eine Menschin in dieses Hinterzimmer, durch die besagter Konzentrationsverlust als angenehme Ablenkung wahrgenommen würde. Die Damen in der Runde kann ich beruhigen, mehr als ein kurzes „Obacht!“ war nie dabei.
 
   Bedauerlicher Weise pendeln auch die Gastwirtsleute stetig zwischen Küche und Gastgarten oder zwischen Gaststube und Gastgarten oder zwischen Küche und Lagerraum oder zwischen Gaststube und Lagerraum oder zwischen Gastgarten und Lagerraum hin und her.
 
   Wirtin Andrea begibt sich wiederholt regelmäßig und ungeachtet der daraus resultierenden Selbstgefährdung mitten in die Wurflinie. Dass selbstvergessene Handeln passiert selbstredend nur im Sinne einer möglichst raschen Bedienung der Gäste im Garten. Nur durch umsichtiges und rücksichtsvolles agieren der hier anwesenden Protagonisten sind bis Dato gröbere Verletzungen ausgeblieben.
 
   Wir befinden uns immer noch im Hinterzimmer und der aufmerksame Zuhörer, auch der oder die gegenderte Zuhörerin, wird unschwer bemerken, dass jener Platz, welcher am meisten Konzentration erfordern würde, der am meisten frequentierte des ganzen Gasthauses ist.
 
   Kein Wunder also, dass die Treffsicherheit leidet, dass die Konstanz erbliche Schwankungen aufweist, in der Fachsprache würde man sagen, dass der Average sinkt, dass manch ein Geduldsfaden reißt, dass diverse laute und stille Flüche die Kehlen verlassen. Hätten die Mauern dieses Hinterzimmers ein Erinnerungsvermögen, ich fürchte, um unseren guten Ruf wäre es geschehen.
 
   Nun, bezogen auf die Konzentration vor dem Dartapparat, sind es ja bei weitem nicht nur gruppenfremde Störefriede, die die Erfolgsaussichten auf den einen oder anderen treffsicheren Wurf vereiteln. Nein, ganz im Gegenteil, diese befinden sich des Öfteren in den eigenen Reihen.
 
   Der Hipp zum Beispiel: Er benötigt Aufwärmübungen während des gesamten Spielverlaufs. Diese macht er meistens dann, wenn er selbst nichts trifft und er macht sie bewusst oder unbewusst im Gesichtsfeld des nächsten Werfers. Seine zweite, deswegen jedoch keineswegs weniger wirksame Störung des Spielablaufs ist seine lautstarke, gedankenfluktuierende und logorrhoische Aufarbeitung sämtlicher aktuellen Alltagsgeschichten. (Ablenkungsmethode)
 
   Der Baur zum Beispiel: Er wartet bis kurz vor dem Abwurf des Pfeiles des nächsten Werfers. Just in dem Moment setzt er bewusst ein Reizthema in den Raum, welches selbstverständlich individuell abgestimmt ist und genau in der reziproken Phase von Anspannung des Trizepses und lösen des Bizepses zu einer Pulserhöhung führen muss. Es ist beinahe die hinterlistigste Art der Irritation der Balance des Werfers. Und sie wird gezielt eingesetzt, wenn ein Gegner für ihn etwas zu gefährlich wird. (Methode des Setzens von Fehlreizen)
 
   Der Jehle zum Beispiel: seine lautstarken, nachhallenden Verzweiflungsschreie und Frustrationsgestiken, wenn das Spiel nicht so läuft, wie er sich das den ganzen Tag über vorgenommen hat, versetzen den nächst werfenden Spieler in eine scheinbare Sicherheit, so dass dessen Konzentrationsniveau nicht im erforderlichen Maße aufgebaut wird und selbiger schon deshalb seine Standardleistung nicht abrufen kann. (Methode des Wiegens in Sicherheit)
 
   Der Wieser zum Beispiel: Der Wieser hat über längere Zeit eine eher unterdurchschnittliche Wurfleistung gezeigt. Diese versucht er durch diverse Austauschversuche des Spielmaterials, sprich Wechsel von Pfeilen und dem gesamten Zubehör zu korrigieren. Weil ihm Korrektur der Wurfleistung bis Dato noch nicht gelungen ist, kommt von ihm aus dem Hintergrund des Öfteren ein dezentes, öfter jedoch ein bewusst hämisch unterlegtes: „mei – schade“, wenn seine Gegner ebenso nicht die gewünschten Zahlen treffen und sich darüber ärgern. Das ist ein klarer taktischer Wechsel zu früheren Tagen in denen er eher subtil aus dem Hintergrund den jeweils nächsten Werfer auf die offenen Wunden des vor ihm liegenden aufmerksam gemacht hat, um sich so doch noch die eine oder andere Siegchance zu erhoffen. (Lenkungsmethode)
 
   Der Meusburger zum Beispiel: Beim Meusburger kann man durch die kürze der Zeit noch keine klare Methodik in der Spiel- und Gegnerbeeinflussung zuschreiben. Was jedoch schon ausgesprochen auffällig heraussticht, ist sein cooles Understatement, wenn er dann und wann die Gegner mit niedrigen Strafpunktezahlen beeindruckt. Bis anhin gibt es noch keine eindeutige Tendenz zur Stabilisierung seiner zwischendurch schon richtig guten Dreierquote. Es bleibt zu befürchten, dass da doch ein Talent in ihm schlummert. (Methode – ich will nicht auffallen – noch nicht)
 
   Der Beck zum Beispiel: Der Beck der hat immer so viel zu tun. Das gibt ihm das Recht zu spät zu kommen. Immer. Der Beck hat sich inzwischen das Gewohnheitsrecht erworben, als letzter Werfer in das Rennen einzusteigen. Immer. Er benötigt diesen objektiven Nachteil um die richtige Adrenalinausschüttung zu erreichen. Ohne Adrenalin keine Leistung. Ist das nötige Adrenalin aufgebaut, bricht beim Beck die Gewissheit durch, dass nur er das Spiel verstanden hat. Daraus folgt, dass nur er allen anderen zu sagen hat, wie sie eigentlich zu spielen hätten. Sollten besagte Gegner nicht innert kürzester Zeit dieselbe Erkenntnis erlangen, führt dies zum Adrenalinstau der sich nur mit unwirschen Unmutsäußerungen auflösen lässt. Diese Unmutsäußerungen treffen einzelne oder die gesamte versammelte Mannschaft. (Einschüchterungsmethode)
 
   Nachsatz: zum Glück löst sich der Becksche Adrenalinstau umgehend nach Abschalten des Dartautomaten.

 
 
 

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